Silke Farmer-Wichmann in einem 70er Jahre Sessel sitzend mit Gedankenblasen um sich herum
c Karoline Rais, Shutterstock

2. April 2022

Prinzessin bin ich keine ... Oder: Wo die Gegenwart wurzelt

Fragt ihr euch auch manchmal, warum alles genauso gekommen ist, wie es nun einmal gekommen ist – quasi wo die Gegenwart wurzelt? Ich bin mir zum Beispiel sicher, dass ich nie Kinderbücher zu schreiben begonnen hätte, wenn ich nicht selbst Mutter geworden wäre.

No na net; eine Wahnsinnserkenntnis, werdet ihr sagen. Zu recht, denn dazu ist nun wirklich keine raketenwissenschaftliche Untersuchung nötig, um da Zusammenhänge zu sehen. Aber, und da müsst ihr mir jetzt auch recht geben, es schreibt wiederum nicht jede/r Kindergeschichten, nur weil sie/er Nachwuchs hat oder hütet (in Schule, Kindergarten oder Fußballvereinen). Und manche verfassen Kinderbücher gar ganz ohne, also ohne Kinder.

Worauf ich hinaus will? Ich denke, dass der Umgang mit kleinen Leuten – ob mit eigenen oder geliehenen – zwar ein gutes Substrat bildet, um sich Geschichten für sie auszudenken. Und wie gesagt: ohne eigenen Nachwuchs hätte ich vermutlich nicht damit angefangen. Aber dieser innere Drang, diese intrinsische Motivation, das eigene kindliche ICH mit Geschichten zu füttern und zu beflügeln, das wurzelt woanders. Es geht dabei  wahrscheinlich weniger um meine Kinder als um mich und meine Kindheit. Schließlich wachsen meine Jungs und sind längst schon in der Jugendliteratur heimisch, während ich immer noch mit Vorliebe für Volksschulkinder Welten erfinde und diese mit fantastischen Wesen bevölkere.

Wurzelforschung

Vermutlich sind meine Eltern nicht ganz unschuldig daran. Von klein auf haben sie mir die tollsten Geschichten vorgelesen, mir damit das Tor zur Fantasie aufgestoßen und den Grundstein zum Lesen gelegt (sie haben sich nicht einmal bei den Comics meines älteren Bruders verweigert, weil ich partout wissen wollte, was da in den Sprechblasen von Asterix und Obelix stand). Was sie mir von dem Nachfolgenden allabendlich aus Büchern vorgelesen haben und was ich mir selbst Buchstaben verschlingend einverleibt habe, lässt sich im Nachhinein schwer sagen und es ist ohnehin unbedeutend. Jedenfalls bin ich mit Pippi zur Taka-Tuka-Insel gefahren, war mit Ronja im Wald und hab mich vor den Grausedruden versteckt. Ich war in Lilliput, mit Moby auf See, bin mit Nils, Martin und Akka von Kebnekaise (was für ein Name!) nach Lappland geflogen, hab Rosa Riedl Schutzgespenst und Jim Knopf getroffen und mich wie Gretchen, mein Mädchen gefühlt. Letzteres war aber später, viel später (da musste mir niemand mehr vorlesen).

Was ich aber noch genau weiß, ist, dass zu meinen bevorzugten Geschichten im frühen Vorlesealter vor allem Märchen gehörten. Die schlimm-gruseligen aus den Sammelbänden der Gebrüder Grimm, die meine Nerven ordentlich kitzelten, genauso wie die schönen Kunstmärchen von Hans Christian Andersen. Däumelinchen etwa hab ich geliebt. Das zarte kleine Mädchen, das die Schwalbe gesund gepflegt hat und so viel durchmachen musste, bis es endlich auch einmal glücklich sein durfte. Und nicht zu vergessen „Die Prinzessin auf der Erbse“. Was habe ich gestaunt: Dass man so empfindlich sein und durch 20 Matratzen hindurch eine einzelne Minierbse spüren kann? Ich glaube, spätestens da ist mir klar geworden: Prinzessin bin ich keine … Deswegen schreibe ich wohl heute lieber über pummelige Traumelfen oder flippige Pixies – sie stehen mir näher. Dabei wäre ich eine Zeit lang ganz gern eine Prinzessin gewesen. Im Fasching habe ich mich vielleicht mehr als einmal als solche verkleidet. Und wer jetzt lästert: Ich war jung und wollte eine Krone. 🙂 Außerdem gibt es mittlerweile auch coole Prinzessinnen: Daenerys Targaryen zum Beispiel.

Neuerdings hat aber das Sumpfmock Oonag mein Herz erobert. Sumpfmocks sind rätselhaft und scheu – und sie stecken voller Magie. Trotz ihres Namens baden sie ganz gern in den sauberen Quellen der Waldelfen, die aber wiederum mögen das gar nicht. Deswegen gibt’s auch Stunk in Valorun. Wie das ausgeht und was Oonag alles drauf hat, erfahre ich selbst erst gerade. Und ich muss sagen, ich bin schon ganz schön gespannt, so eindeutig ist das alles nämlich nicht.

Denn glaubt es oder nicht: Figuren, die man erschafft, tun nicht immer das, was man sich für sie überlegt hat. Charaktere sind nämlich keine willenslosen Marionetten. Ganz im Gegenteil, sie sind wie Kinder. Einmal losgelassen, sprinten sie fort und du kannst schauen, wie du hinterherkommst.

Und das mach ich jetzt. Sonst wachsen sie mir über den Kopf und bringen meinen Abgabetermin zum wackeln … Übrigens dreht sich meine neue Geschichte (sie wird im Herbst als weiteres Erstlesbuch in der Reihe Zauberfeder des Fairyland Verlags erscheinen) nicht nur um Oonags Probleme. Es geht auch ein bisschen um Natur und Kreisläufe – und auch Wurzeln spielen dabei eine besondere Rolle.


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